Im letzten Teil über den Leipziger Zoo haben wir die Vogelwelt im Alten und Neuen Vogelhaus etwas näher kennengelernt. Beide Häuser sind inzwischen etwas in die Jahre gekommen. An ihre Stelle sollen bis 2020 neue, moderne Anlagen treten. Heute schauen wir uns einen Teil des Zoos an, der einen Eindruck davon vermittelt, wie die Zukunft der Zoos aussieht: die 2011 eröffnete Tropenhalle Gondwanaland. Sie ist übrigens die größte Halle ihrer Art in Europa und gewissermaßen die Hauptattraktion des Leipziger Zoos. Hier kann man völlig wetterunabhängig in die faszinierende Welt der tropischen Regenwälder eintauchen - ganz ohne beschwerliche Reisestrapazen auf sich nehmen zu müssen.
Das Konzept "Gondwanaland"
Der Name Gondwanaland leitet sich vom südlichen Urkontinent Gondwana ab, der einst, im Mesozoikum, große Teile der Landmassen unseres Planeten in sich vereinte. Hervorgerufen durch die gewaltigen Kräfte der Plattentektonik zerbrach er in kleinere Stücke, die heutigen Kontinente Südamerika, Afrika inklusive Madagaskar, Australien, Antarktika und Teile Südostasiens. Gondwanaland soll darum einerseits einen Einblick in die Erdgeschichte und die Entstehung des Lebens liefern, andererseits stellt es den Bezug zu eben jenen Kontinenten her, die heute -noch- von tropischen Regenwäldern bewachsen sind.
Blick in die riesige Tropenhalle. Das Dach besteht aus doppelkammerigen ETFE-Folienkissen und lässt das Sonnenlicht beinahe ungefiltert hindurch. Das sorgt für üppiges Pflanzenwachstum in der Halle. |
Vulkanstollen
Im Vulkanstollen tauchen wir ein in die Welt der Vergangenheit. An die Dunkelheit in dem künstlichen, unterirdischen Stollen müssen sich die Augen erst gewöhnen. Zunächst geht es über ein blubberndes Lavafeld, doch keine Angst, selbstverständlich ist die Lava nicht echt und der Besucher kann gefahrlos dartüber spazieren.
Der Vulkanstollen beherrbergt eine Fülle so genannter "lebender Fossilien" - Tiere, deren Bauplan sich seit Jahrmillionen kaum veränderte. |
Im ersten Aquarium begegnet uns der Gefleckte Knochenhecht (Lepisosteus oculatus), der unter den Fischen einzigartig ist, denn er besitzt als einziger Vertreter ein funktionstüchtiges Hinterhauptsgelenk und kann daher mit dem Kopf nicken.
Der Gefleckte Knochenhecht (Lepisosteus oculatus) ist ein "lebendes Fossil". Seit Jahrmillionen hat sich der Bauplan dieser Knochenfische nur unwesentlich verändert. |
Im Gondwanaland begegnen uns gleich drei Arten von Lungenfischen: Australischer (Neoceratodus forsteri), Südamerikanischer (Lepidosiren paradoxa) und Westafrikanischer Lungenfisch (Protopterus annectens). Die Lungen der Fische entstanden ursprünglich aus einer Aussackung des Darms (die gleiche Anlage bildete bei den meisten anderen Fischen die Schwimmblase) und dienen nicht zum Atmen an Land. Vielmehr stellen sie eine Anpassung an sauerstoffarme und beziehungsweise oder periodisch austrocknende Gewässer dar.
Ein besonders schön gestaltetes Becken zeigt die schon im ersten Teil unseres Zooportraits erwähnten Schützenfische (Toxotes jaculatrix) in Vergesellschaftung mit Atlantischen Schlammspringern (Periophthalmus barbarus). Eine dritte Art, die eigentlichen "Stars" des Beckens, muss man jedoch erst suchen: Große Molukkenkrebse (Tachypleus gigas), die auch Pfeilschwanzkrebse genannt werden. Trotz ihres Namens sind die Tiere jedoch näher mit den Spinnentieren verwandt. Sie durchpflügen permanent das Bodensubstrat auf der Suche nach Nahrung. Eine zweite Art, der Atlantische Pfeilschwanz (Limulus polyphemus) wird im Gründergarten im Aquarium gezeigt. Im Gondwanaland-Becken wurden ursprünglich Mangroven-Pfeilschwänze (Carcinoscorpius rotundicauda) gehalten. Die Art hielt sich im Becken jedoch nicht lange, das Becken bedurfte erst einer Überarbeitung. Außerdem sind die nun gezeigten Großen Molukkenkrebse, im Gegensatz zu den Mangroven-Pfeilschwänzen, ungiftig.
Große Molukkenkrebse (Tachypleus gigas) durchpflügen den Grund des Gewässers auf der Suche nach Fressbarem und werden daher auch "Seemaulwurf" genannt. |
Der Stollen führt uns nun in die Nachttierabteilung. Hier werden Säugetiere gezeigt, die vorwiegend in der Dämmerung und in der Nacht aktiv sind. Damit der Besucher sie dennoch zu Gesicht bekommt, wird der Tag-Nacht-Rhythmus einfach umgekehrt und eine schwache Rotlichtbeleuchtung sorgt dafür, dass der Besucher einen Blick ins Gehege werfen kann.
Blick in das Gehege der Zwergplumploris (Nycticebus pygmaeus). Sie gehören zu den wenigen Säugetieren, die giftig sind. |
Freilebende Tiere im Gondwanaland
Bevor wir uns nun auf den Rundweg durch die Riesentropenhalle begeben, soll noch erwähnt werden, dass es sich stets lohnt, die Augen auch abseits der gewöhnlichen Gehegebegrenzungen offen zu halten. Eine ungeahnte Fülle an Tieren kann sich nämlich in der Halle frei bewegen. Dem Besucher dürften vor allem die zahlreichen großen und kleinen Vögel auffallen, die in teils beeindruckendem Tempo über die Köpfe der Zoogäste hinwegsausen. Allgegenwärtig in der Halle sind zum Beispiel die Madagaskarweber (Foudia madagascariensis). Die Männchen der kleinen Sperlingsvögel lassen sich zur Balzzeit ganz leicht von den Weibchen unterscheiden, denn nur sie besitzen ein leuchtend rotes Prachtkleid.
Auch sehr häufig anzutreffen sind Schuppenkopfrötel (Cossypha albicapilla) und Zweifarben-Fruchttaube (Ducula bicolor). Im Südamerika-Bereich hält sich oft ein recht großer Vertreter der Hühnervögel auf, der an seinem schieferblauen Gefieder gut zu erkennen ist, der Venezuela-Blaukehlguan (Pipile cumanensis cumanensis).
Der Blaukehlguan (Pipile cumanensis cumanensis) ist ein Hühnervogel aus den Tropen Südamerikas. |
Hartlaub-Turakos (Tauraco hartlaubi) sind aufgrund ihrer grünen Färbung nur schwer zu entdecken. |
Eindrucksvoll stellt die Sonnenralle (Eurypyga helias) die "Augen" auf ihren Flügeln zur Schau. |
Masken- oder Soldatenkiebitze (Vanellus miles) sind mit ihrer gelben Maske unverkennbar. |
Zwar kein Vogel, aber trotzdem ein guter Flieger, ist der Inselflughund (Pteropus hypomelanus condorensis). Die Flughunde ähneln auf den ersten Blick einer Fledermaus und tatsächlich bilden Fledermäuse (Microchiroptera) und Flughunde (Macrochiroptera) die gemeinsame Ordnung der Fledertiere oder, ihrem wissenschaftlichen Namen Chiroptera nach, auch Handflügler genannt, in der Lebensweise unterscheiden sie sich jedoch stark. Flughunde sind reine Vegetarier, die sich zumeist von reifen Früchten ernähren und selbstredend die Früchte der unzähligen tropischen Pflanzen im Gondwanaland gerne verzehren.
Die Reptilien sind unter anderem durch verschiedene Anolis-Arten vertreten, zum Beispiel dem Rotkehl-Aanolis (Anolis carolinensis), dem Kuba-Anolis (Anolis sagrei) und dem Weißlippen-Anolis (Anolis coelestinus). Auch die bereits aus dem Terrarium bekannte Grüne Wasseragame (Physignathus cocincinus) kann im Gondwanaland angetroffen werden. Natürlich dürfen auch Grüne Leguane (Iguana iguana) nicht fehlen.
Der Grüne Leguan (Iguana iguana) sieht zwar bedrohlich aus, ist aber ein harmloser Pflanzenfresser. |
Nur am Rande erwähnt werden soll der üppige Bestand an Pflanzenarten. Bei der Auswahl der Pflanzen wurde großer Wert darauf gelegt, dass die meisten Arten auch an die Tiere verfüttert werden können, darum verwundert es nicht, dass sich unter den pflanzlichen Bewohnern zahlreiche Nutzpflanzen finden, die wir aus der Obstabteilung unserer Supermärkte kennen. Ananas (Ananas comosus), Kaffeestrauch (Coffea arabica), Bourbon-Vanille (Vanilla planifolia), Kakaobaum (Theobroma cacao) und Mango (Mangifera indica) sind nur einige, die an dieser Stelle stellvertretend für die rund 500 präsentierten Pflanzenarten genannt werden sollen.
Frucht des Kakaobaums (Theobroma cacao). Im Hintergrund die leuchtend roten Blüten verschiedener Puderquastenstraucharten (Calliandra). |
Südamerika
Nun wollen wir uns aber auf den Rundweg begeben und beginnen mit dem Kontinentbereich Südamerika. Dem Besucher sei eine Fahrt mit dem Boot auf dem Gondwanalandfluss Gamanil (eine Wortneuschöpfung aus den drei größten Flüssen der jeweiligen Kontinente Ganges, Amazonas und Nil) empfohlen. Auf der Rundfahrt erlebt man eine virtuelle Reise durch die Erdgeschichte, begleitet von Norbert Langer (er ist Sprecher zahlreicher Dokumentationen und darüber hinaus die Standard-Synchronstimme für den Schauspieler Tom Selleck) und anschließend durchquert das Boot die Halle.
Blattschneiderameisen (Atta cephalotes) sind die wohl kleinsten Gondwanaland-Besucher, die dem Besucher auf seiner Reise begegnen. Die staatenbildenden Insekten sind bekannt dafür, Blattstücke abzuschneiden und in ihr Nest zu transportieren, wo sie damit einen Pilz kultivieren, von dem sie sich ernähren.
Der Weg führt zu den Totenkopfaffen (Saimiri sciureus). Der Besucher kann die geschickten Kletterer wahlweise vom Rundweg aus beobachten oder aber die Totenkopfaffeninsel betreten. Wir halten uns an den Rundweg, überqueren eine Brücke und gelangen an eine Kreuzung. Wir nehmen den linken Weg und finden uns alsbald in der Amazonas-Grotte wieder. Von hier aus hat man zunächst einen Einblick in das Gehege der Ozelots (Leopardus pardalis). Die schön gezeichneten Katzen sind leider recht scheu und nur selten direkt an der Glasscheibe zu sehen. Oft verbringen sie den Tag etwas versteckt. Wenn man aber weiß, wo man suchen muss, kann man sie eigentlich immer sehen.
Kater Rio ist bereits der dritte Nachwuchs bei den Ozelots (Leopardus pardalis). |
Der Arapaima (Arapaima gigas) sieht aus wie aus einer anderen Welt und gehört zu den größten Süßwasserfischen der Welt. |
Der Riesenotter (Pteronura brasiliensis) ist ein ausgezeichneter Schwimmer und Fischjäger. |
Die langsamen Zweifingerfaultiere (Choloepus didactylus) sind perfekt getarnt und im Urwald kaum zu entdecken. |
Silberäffchen (Mico argentatus) tummeln sich in den Bäumen über den Köpfen der Riesenotter. |
Afrika
Der Rundweg führt nun in den nächsten Kontinentbereich, nach Afrika. Vorbei geht es an einem Palmenhain, der dem Besucher allerlei Informatives über die Nutzung dieser tropischen Pflanzenfamilie vermittelt. Auf der rechten Seite erblickt man sogleich ein Gehege mit vergleichsweise wechselvoller Vergangenheit. Ursprünglich wurden hier Servale (Leptailurus serval möglicherweise Caracal serval) gehalten. Weil der Anlage jedoch eine Übernetzung fehlte und die sprunggewandten Katzen trotz Einhaltung der Bauvorschriften mehrfach ihrem Gehege entkamen, wurden die Tiere schon nach recht kurzer Zeit durch Löffelhunde (Otocyon megalotis) ersetzt. Die kleine Wildhundart zeichnet sich durch ihre besondere Ernährungsweise aus, denn sie sind auf das Fressen von Termiten, Ameisen und anderen Insekten spezialisiert. Leider sind sie jedoch nachtaktiv und sehr scheu. Darüber hinaus sind sie, genau wie die Servale, eher Savannen- denn Regenwaldbewohner und werden den Zoo künftig verlassen. Die Anlage wurde mit einem Textilnetz versehen und soll künftig Kronenmakis (Eulemur coronatus) zeigen.
Es geht weiter zu einer afrikanischen Rundhütte, von wo aus man Einblick in das Gehege der Eulenkopf-Mmeerkatzen (Cercopithecus hamlyni) hat, die hier mit Kirk-Dikdiks (Madoqua kirkii) vergesellschaftet sind. Die Zwergantilopen züchten regelmäßig im Gondwanaland, bis 2016 sind schon 9 Geburten zu verzeichnen.
Kirk-Dikdiks (Madoqua kirkii) sind kleine Wiederkäuer. Ihre rüsselartige Nase hilft ihnen, die Körpertemperatur zu regulieren. |
Mutter mit dem ersten im Gondwanaland geborenen Jungtier der Eulenkopfmeerkatzen (Cercopithecus hamlyni). |
Die Dianameerkatzen (Cercopithecus diana) züchtete im Gondwanaland bereits erfolgreich. |
In Europa wird ausschließlich die westliche Unterart des Zwergflusspferds (Choeropsis liberiensis liberiensis) gehalten. |
Asien
Zuletzt betreten wir den Kontinentbereich Asien. Der Weg führt vorbei am tosenden Wasserfall, der hauptsächlich für die Luftbefeuchtung in der Halle verantwortlich ist. Passend dazu begrüßen den Besucher in einem naturnah eingerichteten Terrarium die WInkerfrösche (Staurois guttatus). Die kaum daumennagelgroßen Amphibien leben natürlicherweise in der Nähe von Wasserfällen und müssen aufgrund der Lautstärke der Umgebungsgeräusche auf das froschtypische Quaken verzichten. Stattdessen kommunizieren sie durch Zeichensignale, die sie sowohl mit ihren Vorder- als auch den Hintergliedmaßen machen.
Nur etwa daumennagelgroß ist der Winkerfrosch (Staurois guttatus). |
Die FIschkatze (Prionailurus viverrinus) verbringt wie alle Katzen einen Großteil des Tages mit Ruhen. |
Die Junggesellengruppe der Zwerg- oder Kurzkrallenotter (Aonyx cinerea) genießt anscheinend ausgiebige Sonnenbäder. |
Der Runzelhornvogel (Aceros corrugatus) zeichnet sich durch deutlichen Geschlechtsdimorphismus aus. Hier ein Männchen im Portrait. |
Als nächstes besichtigen wir das Areal der Sunda-Gaviale (Tomistoma schlegelii). Diese Panzerechsen-Art zeichnet sich durch eine verlängerte und sehr schmale Schnauze mit zahlreichen kegelförmigen Zähnen aus. Die Tiere sind damit ideal an das Fangen von schlüpfrigen Fischen angepasst.
Sunda-Gaviale (Tomistoma schlegelii) sind mit ihrer langen Schnauze und den spitzen Zähnen auf Fischfang spezialisiert. |
Der Komodowaran (Varanus komodoensis) ist die größte Echsenart der Welt. |
Tiefenentspannt ruht sich der Schabrackentapir (Tapirus indicus) aus. |
Mit den Tapiren ist der Rundgang durch die Tropenhalle auch schon fast beendet. Über den Oberen Dorfplatz verlassen wir das Gondwanaland und kommen noch einmal an einigen schön eingerichteten Terrarien vorbei, in denen einige Vertreter der Geckos und einige Frösche präsentiert werden, darunter Goldfröschchen (Mantella aurantiaca), Goldbaumsteiger (Dendrobates auratus) und Klemmers Taggeckos (Phelsuma klemmeri).
Goldbaumsteiger (Dendrobates auratus) in einem Terrarium der Artenschutzhütte amAusgang des Gondwanalands. |
Damit verlassen wir nun die Tropen und begeben uns im vierten Teil des Zooportraits in die Themenwelt Asien.
Literatur
Amend, Michael: Zwergflusspferde in Zoologischen Gärten, in TIERGARTEN 3|2016, Schüling Verlag, Münster 2016
Tropenerlebniswelt Gondwanaland. (Leipziger Blätter, Sonderheft), Passage-Verlag, Leipzig 2011, ISBN: 978-3-938543-95-5
lvz.de: Regenwaldforscher entdecken neuen Ohrwurm im Gondwanaland, Fassung vom 04.10.2015, abgerufen am 25.10.2016
Zoo Leipzig: Gondwanaland Tropenführer Tiere & Pflanzen 2015
Zoo Leipzig: Panthera Jahresbericht 2015
zootierliste.de: Arapaima gigas (Arapaima), abgerufen am 12.10.2016
zootierliste.de: Cebuella pygmaea niveiventris (Weißbauch-Zwergseidenäffchen), abgerufen am 12.10.2016
zootierliste.de: Cercopithecus hamlyni (Eulenkopf-Meerkatze), abgerufen am 12.10.2016
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